Endzeitszenarium?
HomoBlocker
historischer Roman
2056 bis 2104
Peter Rausch


Parallelwelten?
Alternative Wissenschaft?
Distopie?
Intelligentes Leben? Wirklich?
Alle zu Brei?
[ www.raunitz.de ]

Der Alex in einer Vitrine?
Die subversive Wirkung des alternativen Glücks?
Tag ein, Tag aus?"
Die Schlacht um die vorzeitige Ejakulation?













Das Hibaré funkelte wie
Moulin Rouge, Hippodrom, Scala,
Tivoli und Bahia Tropical
die Straße runter bis zum
S-Bahnhof Prenzlauer Allee. Wenn schon Endzeit,
dann in Wohlstand, Frieden und
Geselligkeit.












private Arbeitsgemeinschaft "raunitz"
Berlin
www.hibare.de und www.raunitz.de

Alles über den HomoBlocker

info@homoblocker.de

ab 2. August 2022 der Film "HomoBlocker", Wichstücher gehören in den Biomüll.



[ Allgemeine Geschäftsbedingungen - AGB ]
Ein Bus war verschwunden. Auf der Heimfahrt vom Kyffhäuser verlor sich seine Spur im Infraschallnetz gleich hinter den Vogesen. Einen Tag später, am 3. Oktober 2104, war der Bus aus den Zulassungsregistern gelöscht. Niemand in den Heimatorten vermisste die Fahrgäste.

In Berlin wohnen? Charlie verschanzte sich vormittags in leeren S-Bahn-Zügen und hielt sich die Gespensterstadt auf Abstand. Den Nachmittag verbrachte er in Bibliotheken und sah alte Filme oder blieb den ganzen Tag über in einem der drei Klappen-Cafés. Abends lief er auf den Mittelstreifen der Alleen und stellte sich vor, alles wäre wie früher. Mit dem Licht der Laternen, Schaufenster und Reklamen kehrte das alte Berlin zurück. Von weitem wirken die Zombies hinter den Scheiben der Restaurants, als wüssten sie, warum sie heute abends gerade italienisch aßen.

"Deutsches Raus" leuchtete über einer Gaststätte an der Greifswalder Straße. Das nationale Bewusstsein und das semantische Gedächtnis weggestorben. Dezember 2104. Nun war Charlie Braun seit drei Monaten zurück, aber nicht Zuhause. Immerzu wollte er hinter die Fassaden des Prenzlauer Bergs sehen, ob sie nicht doch die Kulissen eines Monsterfilms wären. Wenn er mit seinen Freunden unterwegs war, ahmte er die Zombies nach. "Hör auf! Das ist unhöflich." Die Freunde lachten vorsichtig. "Was kaputt ist, reparieren die Zombies bedingt reflexiv, quasi parainstinktiv. Und sie schreiben keine überhöhten Rechnungen. Man kann sich absolut auf die verlassen, handwerklich sind die perfekt. Alte deutsche Wertarbeit."

Allein unterwegs stellten sich die autistischen Bewegungen von allein ein. Schaukeln mit dem Kopf und Flunsch ziehen. Flucht in die nächste Bibliothek. Manieren nachladen, Erinnerung auffrischen, vertraute Bilder abspielen.

"Ab einer Geschwindigkeit von 170 km/h könnten die Rennwagen theoretisch an der Decke fahren." Charlie saß an einem Mittwoch im Dezember 2104 in der Staatsbibliothek Unter den Linden und las in alten Spiegel-Ausgaben. "Rund zwei Tonnen." Sagenhaft! Das waren damals noch richtige Männergespräche. "Einer packt aus!" Ehrensache. "Bei höllischem Kaffee- und Zigarettenverbrauch" und einem gut abgehangenen Hüftsteak den "Schulterschluss suchen". Stark. "Neue Vorwürfe, unter Druck, Chef kippen, Korruptionsverdacht, Sechstagerennen, Männer und Löwen, Schlacht der Meisterköche, die Branche, die Ära, der Protest."

2027 sprachen die Zeitungen von schwimmenden Städten an den Küsten Europas, von Vakuumzügen mit 800 km/h von Berlin nach Peking, von geklonten Ersatznieren für Kassenpatienten, von Urbanisierungsplänen der Marsatmosphäre. Mitten im Krieg, während der künstlichen Hungersnöte in der Ukraine, wuchsen in Berlin die Wolkenkratzer, und in Sofia entstand das erste Auffanglager mit industrieller Anbindung. Kriegsflüchtlingen produzierten dort Glühpins, Armkommunikatoren und Kinderbekleidung. Von acht Milliarden Menschen seien zwei Milliarden in unfriedliche Auseinandersetzungen verwickelt, behauptete "Der Spiegel am Sonntag" im April 2020. Die Berliner sagten Krieg dazu, aber es war oft nur lebensgefährliche Unbill, großflächiger Stromausfall, hin und her reisende militärische Übergriffe, komplex geplante Lebensmittelverknappung, sterilisiertes Saatgut, "wenn ich's nicht mache, macht's ein anderer", kleinere Giftgas­attacken, GTI-Schlachten, Gruppenrufmord, epidemische Blasenschwäche, mittelständige Terroranschläge auf Wirtschaftszentralen. So etwas nannte man im Rhein-Main-Gebiet mit feinem Narrenhumor Materialprüfungen oder Betriebsunfälle. Bis dann diese lästigen Zwischenfälle Westeuropa erreichten, wie zum Beispiel der mandarinfarbene Schnee und die simultanen Computerattacks und nicht zu vergessen die heimtückischen Autobahnverstrahlungen. Die Auseinandersetzungen an der Atlantikküste brachten schließlich die Bezeichnung Jahrhundertkrieg und später den Namen Dreißigjähriger Krieg auf. Lebendige Geschichte.

2046 war der Krieg zu ende. Alle abgekämpft oder schon vom HomoBlocker befriedet. Religiöse Notzucht vorüber, Tuchproduktion für Burkas eingestellt, evangelikale Allianzen zerbrochen. Nichts mehr zu verdienen, Nachschub versiegt, mehr Platz für jeden. Friedliche Entwicklung in Stadt und Land.

Kaum ging es allen besser, begann auch schon wieder die alte Besserwisserei. Diskurse über Neue Treue. "Es geht drunter und drüber in deutschen Wohnzimmern" stand im Spiegel 2050. War ja auch was los nach dem Krieg. "Ganz normale Menschen joggen nackt durch den Stadtpark" - "2. Bi-Meisterschaften in der A-Liga der Swinger-Clubs" - "Titten und Schwänze aus Hefeteig mit Zuckerguss in den Schaufenstern der Bäckerläden" - "Die interaktive Familie offensiv bei sexuellem Missbrauch" - "Soap­operas popularisieren die glückliche Liebe zu dritt" und in der Financial Times Europa: "Homoerotische Anspielungen fördern das Verkaufsgespräch." Charlie sah die Kirchennachrichten durch: "Machtlos müssen verantwortungsbewusste Menschen zusehen". Landeskirchen warben mit ihren Plakataktionen "Heute kann ich Nein sagen" und "Ich bin Vater geworden". Riesenlettern: "Anonyme Sexuholiker im Stadtteilfernsehen."

Charlie las in der Zeitschrift mit dem Namen Psychologie: "RealityTherapie sehr beliebt. Phantasievolle Probanden treiben mit drastischen Heilvorführungen die Einschaltquoten hoch." Junge Welt: "Aktive junge Männer haben bis zu hundert verschiedene PartnerInnen im Jahr", So war die Zeit, in der Charlie heranwuchs. "Was lernen junge Leute von Schwulen?" las Charlie im Abendkurier 2066. "HomoBlocker in Priesterseminaren" stand 2084 in der Bravomedia.